C. Gerber: Court, Pâturage de l’Envers

Titel
Court, Pâturage de l’Envers. Une verrerie forestière jurassienne du début du 18e siècle. Volume 2


Autor(en)
Gerber, Christophe
Erschienen
Bern 2012: Rub Media
Anzahl Seiten
301 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Walter Thut

Nur zwei Jahre nach dem beachtenswerten ersten Band zur (bern)jurassischen Waldglashütte Court, Pâturage de l’Envers im beginnenden 18. Jahrhundert erschien 2012 der zweite Band zur Auswertung der bei den Grabungen gemachten Funde.1 Verantwortlich zeichnet, wieder unter der Leitung von Christophe Gerber, ein Kollektiv von fünf Personen aus der Archäologie und benachbarten Fächern, das zudem verstärkt war durch drei weitere Fachleute. Auch bei diesen Arbeiten wurde interdisziplinär gearbeitet; es kommt erneut die Geologie und darüber hinaus die Archäometrie zu Wort. Darum war neben dem Archäologischen Dienst des Kantons Bern als Hauptverantwortlichem insbesondere ein Institut der Universität Basel beteiligt.

Die Ausgrabungen und die nun erfolgte Auswertung der Funde sind geeignet, die Schweiz nördlich der Alpen neben Deutschland, Frankreich und Grossbritannien zu den ganz erfolgreichen Nationen um die Erforschung der Herstellung von Glas zu machen. Und unter den drei schweizerischen Stätten mit Flühli LU und Rebeuvelier JU ragt nun Court BE deutlich über die anderen wissenschaftlich erforschten Orte hinaus. Die Auswertung der zwischen 2000 und 2004 gemachten Funde im Band 2 fokussiert auf technische Aspekte der Glasherstellung (die Beschaffung und die Eigenschaften der Grund- und Hilfsstoffe und der Schmelzöfen) und die Typologie der dort hergestellten Glaswaren. Wie schon bei den Grabungen ist auch die Auswertung gründlich und in innovativer Art geschehen. Den beiden Textbänden sollen auch noch zwei Katalogbände folgen und damit eine über tausendseitige Publikation abschliessen.

Mit den technischen Aspekten sind die Beschaffung und Bereitstellung der Rohmaterialien wie Quarzsand, Schmelzmittel (häufig in der Form von Asche) und Holz gemeint. Es werden zu allen Bereichen interessante Resultate vorgestellt, manche bestätigen anderswo schon geäusserte Vermutungen, manche sind neue Erkenntnisse. So entsteht vor den Augen der Leserinnen und Leser ein plastisches Bild von dem, was sich im frühen 18. Jahrhundert in dieser und anderen Glashütten abgespielt haben mag. Ohne Gewissheit freilich spricht man heute in Court, Pâturage de l’Envers bezüglich Holzverbrauch von etwa 500 Ster Holz pro Monat, und dass über ein Drittel davon allein zur Herstellung von Asche verbraucht wurde, die der Schmelze zugegeben wurde, um den Schmelzpunkt zu senken. Das gibt bei einem Jahresbetrieb von sieben Monaten eine Fläche von elf Hektaren Wald und führte in der Zeit von 1699 bis 1714, in der die Konzession aus der Hand des Fürstbischofs von Basel für Court gültig war, dazu, dass die Hänge rund um die Glashütte stark vom Wald entblösst waren. Für die Bereitstellung des Brennholzes geht man nach den neuen Erkenntnissen von Court von einer Holzergruppe in der Grösse von ca. 30 Personen aus. Die Gemeinschaft rund um die Glashütte schliesslich soll ungefähr doppelt so gross gewesen sein. Von einer so grossen Zahl an Mitarbeitenden in einer mittelgrossen Waldglashütte ist man bis heute nicht ausgegangen. Diese und andere detaillierte Angaben zum Verbrauch und auch zur Beschaffung der Rohstoffe finden sich im zweiten Kapitel.

Weil in Court, Pâturage de l’Envers ausgiebig Produktionsabfälle gefunden wurden und solche Auswertungen bis anhin eher selten waren, hat man diese untersucht. Das Resultat: eine erstaunlich grosse und interessante Produktepalette für eine Glashütte dieser Grösse. Weitere Erkenntnisse: Über drei Viertel des Glaswaren-Ausschusses hatten einen grünen Farbton, und beinahe die Hälfte der Fragmente sind dem Fensterglas zuzuschreiben. Die hergestellten Glaswaren waren wohl zum grossen Teil Trinkgläser, Becher mit rundem Warzen- und Tropfendekor und Kelchgläser mit Hohlbalusterschäften. Die Vorbilder für das Tischglas waren offensichtlich deutsch und französisch. Neben Trinkgläsern wurden auch Apothekergefässe hergestellt (Phiolen, Töpfe, Flaschen).

Das meiste Fensterglas ist den sogenannten Butzenscheiben zuzuordnen, etwas Weniges gehört zum Fachglas nach Zylinderblasverfahren. Die Produktionspalette wird im dritten Kapitel in zahlreichen Abbildungen und ergänzendem Text vorgestellt. In diesem Kapitel ist auch der Abschnitt zu den Werkzeugen mit über 800 Fundstücken untergebracht. Man darf annehmen, dass dieser reiche Schatz an Metallwaren aber nur ein Teil dessen war, was dazumal wirklich zum Einsatz kam.

Hochinteressant und sehr detailreich ist auch das vierte Kapitel mit Erkenntnissen zum Waldglas im Allgemeinen und zu Court, Pâturage de l’Envers im Besonderen. Die Informationen lieferte das Geochemische Labor des Mineralogisch-Petrographischen Instituts der Universität Basel, das die chemischen Typen der Glaswaren bestimmte. Auch wurde dort mit Materialanalysen der Frage nachgegangen, ob das Bruchglas aus der lokalen Produktion oder als Recyclingglas aus nahen Zentren wie Bern oder Basel stammt. Man klärte zudem die Frage, ob das farblose Glas fremder oder lokaler Provenienz ist oder wie das Glas blauer Farbe hergestellt wurde. Näher bestimmt hat man schliesslich auch die Zusammensetzung der silikatreichen mineralischen Rohstoffe rund um Court.

Die Kapitel fünf und sechs befassen sich mit dem zentralen Ort der Glashütte: Dem Schmelzofen (und gewissem Zubehör). So entstand zusammen mit Abbildungen von Öfen aus deutschen Produktionsstätten des 19. Jahrhunderts ein konkretes Bild rund um viel technisches Wissen. Die Untersuchung von durch die Benutzung des Ofens transformierten Baumaterialien liess gar den Schluss zu, dass während der Betriebszeit im Innern des Ofens die erstaunlich hohe Temperatur von gegen 1500 Grad C geherrscht haben musste.

Es versteht sich von selbst, dass eine solche Publikation einen kleinen Katalog, einen kurzen Kommentar zu den statistischen Informationen, ein Glossar (f, e, d) und eine ausführliche Bibliografie enthält.

1 Siehe die Rezension von Bd. 1 in BEZG 73, 2 (2011), 39 – 41.

Zitierweise:
Walter Thut: Rezension zu: Gerber, Christophe; avec les contrib. de Christoph Brombacher et al.: Court, Pâturage de l’Envers. Une verrerie forestière jurassienne du début du 18e siècle. Volume 2: Des matières prémières aux productions. Approches historiques, techniques et archéologiques. Berne: Rub Media 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 1, 2014, S. 52-54.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 1, 2014, S. 52-54.

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